Stefan Ziller

GRÜN für Marzahn, Biesdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Hellersdorf

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Projekt für Berlin: Giftfrei(er)Leben in Berlin II

Im Januar habe ich hier das Projekt “Giftfrei(er)Leben in Berlin” vorgestellt. Heute möchte ich über den aktuellen Zwischenstand berichten. Dieser enthält ergänzende Handlungsoptionen für das Land Berlin sowie die Berliner Bezirke. Dabei habe ich auch Vorschläge und Inspirationen insbesondere von der der LAG Umwelt von B90/Grüne sowie der AG „Giftfrei Leben“ der Grünen Liga Berlin eingebaut. Das Projekt “Giftfrei(er)Leben in Berlin” soll ein Beitrag zum Programmprozess “AUFBRUCH 2016 – DIE NÄCHSTEN SCHRITTE” von Bündnis 90/Die Grünen Berlin sein und wird weiter entwickelt.

Gifte sind keine Entdeckung des Industriezeitalters. Neu sind die Vielfalt und die Menge, in der giftige Stoffe erzeugt und freigesetzt wurden und werden. Der dramatische Verlust an Tier- und Pflanzenarten, der nicht nur, aber zu einem erheblichen Teil auf schleichende (Umwelt-)Vergiftungen zurück zu führen ist, berührt uns erst, wenn Arten betroffen sind, deren Sterben uns Menschen selber trifft (Buchtipp zum Thema: “Hiltrud Breyer – Giftfreies Europa”). Doch muss es soweit kommen? Welche Möglichkeiten hat das Land Berlin dem entgegen zu wirken?

So zählt Berlin bei der Luftverschmutzung deutschlandweit immer noch zu den traurigen Spitzenreitern, verursacht vor allem durch Strassenverkehr, Industrieanlagen, Baustellen und Baumaschinenbetrieb, Heizungsanlagen und weitere Quellen. Die WHO hat den Herbizid-Inhaltsstoff Glyphosat, der auch auf Berlins Straßen verteilt wird, als „wahrscheinlich krebserzeugend“ eingestuft. Glyphosat ist auch Bestandteil des Unkrautvernichters Roundup Ultra, den die BSR verwendet.

Woher kommt das Essen in Berlins Schulen, Kitas und öffentlichen Mensen und Kantinen? Welche Umweltbelastungen nehmen für für winzige Einsparungen im Geldbeutel in Kauf? Wie kann der Plastikwahn gestoppt werden? Was müssen wir tun, damit Kinder in Berliner Kitas mit giftfreiem Spielzeug spielen können?

Welchen Beitrag leistet bzw. könnte Berlin leisten, durch unabhängige Forschung Alternativen und Risiken zu erforschen und damit die Handlungsmöglichkeiten weit über Berlin hinaus zu verbessern? Ziel des Projektes ist den vorhandenen Spielraum zu identifizieren und zu nutzen. Wir können unser Leben in Berlin „giftfreier“ gestalten.

Das Land Berlin soll einen Aktionsplan für eine giftarme / giftfreie Zukunft ausarbeiten, in der Stadt unter Beteiligung der BürgerInnen und insbesondere der Verbraucherschutzverbände diskutieren und im Abgeordnetenhaus verabschieden.

Der Aktionsplan soll die Risiken benennen, denen die Berliner Bevölkerung durch spezifisch, jeweils zu benennende Umweltgifte ausgesetzt ist. In seiner Erarbeitung werden die Forschungseinrichtungen in Berlin, die in ihrer Unabhängigkeit zu stärken sind, ebenso genutzt wie die Kenntnisse der engagierten NGOs. Zu jedem Risikobereich werden die Notwendigkeiten, Ziele und Wege ihrer Reduktion und, soweit möglich, ihrer Eliminierung erarbeitet.

Konkrete Handlungsoptionen für die kommende Legislatur:

  • Verankerung des Zieles “giftfreie Umwelt” in Landesverfassung. Die Studie zu Umweltgerechtigkeit in Berlin bietet eine gute Grundlage für die Debatte.

  • Stärkung (unabhängiger) Forschung zu Risiken und Alternativen am Chemiestandort Berlin. Hintergrund: Die Zahl und Menge umwelt- und gesundheitsrelevanter Stoffe nehmen weiter rasant zu. Damit steigt auch der Beratungsbedarf von Regierungen, Parlamenten und Behörden hinsichtlich einer wissenschaftlich abgesicherten Analyse des gesundheitlichen und ökologischen Risikos einer Exposition gegenüber Chemikalien. Im Gegensatz dazu nimmt die wissenschaftliche Kompetenz zur Bearbeitung entsprechender Fragestellungen in den letzten Jahren rapide ab. Bereits im Jahr 2000 beklagte die Deutsche Forschungsgemeinschaft, dass sich die Zahl toxikologischer Universitätsinstitute zwischen 1990 und 2000 von 20 um die Hälfte, d.h. 10, vermindert habe und weitere Schließungen drohten. Gerade die in Berlin laufende Debatte um Plastetüten und Mikropaste bieten hier Anknüpfungspunkte.

  • Die Frage von Feinstaub und Dieselruß sind bereits mit grünen verbundene Themen. Bspw. gilt die Umweltzone in Berlin bislang nur für Kraftfahrzeuge. Um den gesundheitsgefährdenden Feinstaub loszuwerden, müssen auch Baumaschinen und Personenschiffe mit Dieselrußfilter ausgerüstet werden.

  • Zudem muss der Wirtschaftsverkehr ökologischer werden. Mehr als 60 000 Anwohner*innen wohnen an belasteten Straßen in Berlin. Eine Dauerbelastung durch schadstoffbelastete Luft kann zu gefährlichen Entzündungen oder Wucherungen der Atemwege, Asthma, Bronchitis oder Lungenkrebs führen. Weitere Maßnahmen zur Verminderung der gesundheitlichen Belastungen sollten ein Bestandteil des Aktionsplanes ein.

  • Die zügige Beseitigung von Asbest in sämtlichen Gebäuden und Wohnungen Berlins. Entschädigungsregelungen für Menschen, die aufgrund der Versäumnisse früherer Landesregierungen und Wohnungsunternehmen krank geworden sind oder krank zu werden drohen.

  • Aus der Schweiz können wir vom Projekt „Giftfreies Schulhaus“ lernen. Ob Farben, Lacke, Verdünner, Pinselreiniger, Leime, Abbeiz- und Holzschutzmittel, Imprägniermittel, gewisse Reinigungsmittel, Pfl anzenbehandlungsmittel, Fotochemikalien, Entkalker, Desinfektionsmittel – auch in Schulhäuser lauern gefährliche Chemikalien. Im Anschluss an eine Einführung rüsten sich die Schülerinnen und Schüler als Detektive zur Giftjagd.

  • Wir wollen mit einem Weißbuch (oder Schwarzbuch) Gebäudereinigung Qualitätskriterien für zukünftige Ausschreibungen der Reinigung öffentlicher Gebäude. Insbesondere in Schulen und Kitas wollen wir ökologische Putzmittel vorschreiben. So geht’s (PDF).

  • Aktiv für den Bienenschutz: Europäische Debatte über Pestizide führen. Anknüpfend an die verschiedenen Inititiven (bspw. „Berlin summmt“) können wir konkrete Maßnahmen auf Berliner Ebene einfordern. Dazu bietet sich das Thema dazu an, Veränderungen auf EU-Ebene zu besprechen und die EU und ihre Politik konkret mit vor Ort zu verbinden.

  • Eine Kampagne gegen die Nutzung von Pestiziden und für eine Ernährung der Stadtbevölkerung aus pestizidfreier Landwirtschaft. Berlin verpflichtet sich, den Einsatz von die Gesundheit wie die biologische Vielfalt in der Stadtnatur schädigenden Pestizide und Herbizide zügig zu reduzieren und im Ergebnis zu beenden. In allen Parkanlagen, Straßen und sonstigen öffentlichen Einrichtungen wird der Einsatz dieser Mittel auf Null reduziert. Mit der Bahn der Verzicht auf ihren Flächen verhandelt. Mit den Verbänden und Kolonien der Kleingärtner wird beraten, wie im Konsens der Einsatz dieser gefährlichen, Mensch und Natur schädigenden Stoffe beendet werden kann. Auf den Einsatz des besonders gefährlichen und krebserregenden Glyphosats verzichtet die Stadt umgehend und wird bundes- wie europaweit für ein Verbot von Glyphosat aktiv (vgl. dazu unser Projekt „biologische Vielfalt in Berlin“).“

  • Die Verschmutzung des Wassers durch Mikroplastik sowie Pestizide und ihre Abbauprodukte bekämpfen, denn Pestizide im Trinkwasser sind ein echtes Problem. Die schleichende Vergiftung unseres Lebenselixirs muss gestoppt werden. Welchen Beitrag kann Berlin hier leisten? Wird die EU-Wasserrahmen-Richtlinie vollständig umgesetzt? Das Ziel, Gewässer von giftigen Chemikalien soweit wie möglich frei zu halten, ist ein Schwerpunkt im europäischen Gewässerschutz.

  • Maßnahmen zur Beseitigung von Medikamentenrückständen, Mikroplastik und giftigen Chemikalien aus dem Abwasser (vgl. dazu das Konzept „Berlin – Stadt am wasser der LAG Umwelt und Lebensqualität). Ähnlich wie inzwischen bei Batterien und Energiesparlampen soll die Rückgabe von Alt-Medikamenten unkompliziert möglich werden. Hierzu wollen wir den Dialog mit den Apotheker*innen suchen.

  • Der Senat darf die Berliner*innen nicht länger bekannten Gesundheitsrisiken aussetzen und muss auf den Einsatz des gefährlichen Giftes Glyphosat verzichten.

  • Mit einer Aktions/Infokampagne wollen in Berliner Kitas das Thema giftfreies Spielzeug  für Kinder auf die Tagesordnung setzen und Erzieher*innen und Eltern dafür sensibilisieren. In Plastikspielzeug finden sich gefährliche Weichmacher, die das Hormonsystem schädigen können, in geleimten Holzpuzzles Krebs erregendes Formaldehyd oder in Teddybären gesundheitsschädliche Flammschutzmittel. Dies ist besonders zynisch, da unabhängige Tests bestätigen, dass fast alle dieser gefährlichen Chemikalien durch sichere ersetzt werden können. (WECF)

  • Auch in den öffentlichen Berliner Krankenhäusern wollen wir die Vermeidung von PVC auf die Tagesordnung setzen. Obwohl es auf dem Markt schon entsprechende PVC-freie Medizinprodukte gibt, verwenden viele Krankenhäuser immer noch PVC-haltige Artikel, aus denen DEHP austreten kann. Von DEHP ist bekannt, dass es giftig für das Fortpflanzungssystem ist – in Tierversuchen führt es zu Geburtsfehlern und Unfruchtbarkeit. Hierbei können wir von WIEN lernen: Bereits 1992 wurde in den Richtlinien für die „Vergabe von Leistungen durch Dienststellen und Unternehmungen der Stadt Wien“ festgelegt, dass Produkte beziehungsweise Verpackungsmaterialien, die PVC, andere halogenartige Kunststoffe oder halogenierte Kohlenwasserstoffe enthalten, unerwünscht sind.

  • Beschaffungsrichtlinien und Empfehlungen für die Einrichtung von KITAs und Grundschulen anpassen

  • Immer wieder teilen ehemalige Beschäftigte die auf Industrie- oder Bahnanlagen gearbeitet haben ihr Wissen um Altlasten. Mit einem Aufruf wollen wir alle Berliner*innen bitte, ihr Wissen um Altlasten zu melden. Das Bodenbelastungskataster soll diese Informationen von Zeitzeugen aufnehmen, auch wenn sich kurzfristig nicht jede Meldung überprüfen lässt. Gerade in Anbetracht des neuen „Baubooms“ in Berlin, müssen wir sorgsam mit den Relikten der Vergangenheit umgehen.

  • Einrichtung von Informationsstellen zu Risiken von Umweltgiften aller Art, incl, von Wohngiften wie Holzschutzmitteln. Umwelt- und Verbraucherschutzverbände werden darin unterstützt, in der Stadt feste wie mobile Informations- und Beratungsstellen einzurichten, die zu Risiken von Umweltgiften aller Art informieren. Dabei ist besonderes Augenmerk auf Belastungen der Innenraumluft zu legen.“

  • Eine giftfreie Kommune ist nur dann glaubwürdig, wenn sie auch die Herstellung und die Produktionsbedingungen von Stoffen berücksichtigt, die aus anderen Regionen importiert werden. Es kann nicht angehen, dass z.B. Landbewohner und Landarbeiter durch den Anbau von uns genutzten Nahrungsmitteln, oder ArbeiterInnen durch die Herstellung von uns gekauften Textilien vergiftet werden oder dass unser Elektroschott Müllhalden in Afrika verpestet. Berlin engagiert sich hier durch vielfältige Maßnahmen wie Aufklärung, Kampagnen, Zertifizierungen und nationale wie internationale Initiativen . Hierzu Bereich aktive NGOs erhalten besondere Unterstützung.

  • Vorbild Europa? Was können wir von Stockholm lernen? Berlin bemüht sich auf dem Weg zu einer giftfreieren Kommune um die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch mit anderen Städten. Stockholm, das sich bereits auf den Weg zu einem „non-toxic environment“ begeben hat, wird eine Partnerschaft vorgeschlagen“.

Rechtliche Rahmenbedingung: Recht auf giftfreie Umwelt

Es gibt ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit – und den Anspruch auf eine intakte Umwelt. Seit 1994 ist der Umweltschutz in Deutschland als Staatsziel in Artikel 20a Grundgesetz verankert. Stoffrechtliche und produktrechtliche Regelungen (EU) sowie internationale Übereinkommen wie die Stockholm-Konvention zu persistenten organischen Verbindungen (POPs) leisten einen Beitrag zu einem sichereren Umgang mit Chemikalien. Wie werden diese Rechte in Hinblick auf schleichende Vergiftungen von Mensch und Umwelt praktisch gewährleistet?

Karl Otto Henseling , „Die verdrängte Gefahr schleichender Vergiftungen“, Der Text ist unter dem Titel „Menschen, Chemie, Umwelt. Die giftige Seite des fossilen Zeitalters“ in Forum Wissenschaft 3/2008, S. 35-38, erschienen.

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