Stefan Ziller

GRÜN für Marzahn, Biesdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Hellersdorf

Frieden Grüne Jugend 

Nie wieder Krieg

Die Frage von Krieg und Frieden ist aktueller denn je. Leider wird der Versuch “Frieden mit Panzern in die Herzen der Menschen zu bomben” in der politischen Debatte immer weniger hinterfragt. Nun habe ich mit Freude gelesen, dass sich die Grüne Jugend Niedersachsen auf ihrer Landesmitgliederversammlung (LMV) mit dem Thema Friedenspolitik befasst hat. Folgender Antrag war dabei die Grundlage.

V4 Nie wieder Krieg!
Antragsteller_Innen: Svenja Schurade, Moritz Keppler

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen möge beschließen:

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert die Bundesrepublik Deutschland auf, sich nicht mehr an militärischen Interventionen jeglicher Art, noch an Kriegseinsätzen oder bewaffneten Konflikten zu beteiligen oder solche als legitimes Mittel der Politik oder als mögliche Option in der Lösung von sozialen, gesellschaftlichen oder geographischen Konflikten gelten zu lassen. Wir fordern die Bundesrepublik 65 Jahre nach dem Ende des letzten Krieges auf eigenem Territorium auf, endlich aus ihrer Geschichte zu lernen und anstelle des „verlässlichen militärischen Partners“ in der westlichen Welt und dem globalen Norden, endlich die entscheidende Rolle als Friedensmacht in der gesamten Welt einzunehmen!

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen stammt aus einer Bewegung, die einst pazifistischen Grundsätzen verschrieben war. Noch immer ist die Gewaltfreiheit in unserem eigenem politischen Agieren einer unserer wichtigsten Grundsätze. Nach dem unsere Mutterpartei in der Regierungsverantwortung in der rot-grünen Koalition selbst in aktueller Realpolitik die Frage nach militärischem Eingreifen, nach harten internen Auseinandersetzungen und politischem Druck von allen Seiten, positiv beantwortet hat, stellen wir die Frage nach der Legitimität militärischen Handelns heute neu. Und wir kommen zum Ergebnis einer Erneuerung des Radikalen Pazifismus! Wir wollen nicht die Selbstverständlichkeit hinnehmen, mit der mittlerweile der Einsatz der Bundeswehr in aller Welt gehandhabt wird, als wäre sie eine selbstverständliche staatliche Institution und ihr Einsatz quasi ein Standardverfahren und folgerichtig bei bestimmten Konstellationen. In diesem Zusammenhang kritisieren wir auch den Beschluss von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN aus Erfurt, in dem bestimmte Kriterien definiert wurden, bei denen ein militärisches Eingreifen gerechtfertigt wäre. Krieg ist kein Standardformular XY bei dem bestimmte Kriterien erfüllt sind und dann folgerichtig und zwangsläufig gehandelt werden müsste! Krieg ist die Entscheidung zur Eskalation und das in Kauf nehmen der eigenen Verantwortung für das Töten von Menschen. Wer die Entscheidung trifft in den Krieg zu ziehen, muss sich weiterhin der moralischen Kritik einer friedlichen Bürger_Innenschaft stellen, die den militärischen Konflikt vereiteln will! Es gibt keinen Freispruch des Gewissens post skriptum, Krieg ist nicht Frieden und wer die Armee in die Welt hinaus schickt um politische Auseinandersetzungen zu „bearbeiten“ hat den Frieden bewusst gebrochen!

Frieden ernst nehmen! Bei uns selbst anfangen!

Innenpolitisch gehen damit für die GRÜNE JUGEND Niedersachsen drei verschiedene Forderungen, neben der allgemeinen Forderung der Nichtbeteiligung an militärischen Interventionen, notwendig einher:

1.die Abrüstung Deutschlands incl. allen auf diesem Gebiet stationierte Waffenarsenale anderer Staaten wie z.B. hier stationierte Atomwaffen sowie den eigenen Waffenbeständen, die über das Minimum der sogenannten Landesverteidigung hinausgehen, langfristig die Abrüstung aller Waffen. Außerdem soll über ein sofortiges Rüstungsexportverbot mittelfristig
die Einstellung sämtlicher Rüstungsproduktion in der Bundesrepublik erreicht werden. Bestehende Infrastruktur und frei werdende Kapazitäten in der Rüstung(-industrie) sollen zum zivilen Katastrophenschutz und zur Entwicklungshilfe im Globalen Süden eingesetzt werden.

2.der sofortige Austritt aus der NATO und allen anderen rein militärischen Staatenbündnissen. Wir wenden uns auch explizit gegen die Lösung einer europäischen Verteidigungspolitik, da wir diese nur als eine weitere unnötige und in ihrer Wirkung schädliche Möglichkeit der Aufrüstung begreifen.

3. Die Verkleinerung des stehenden Heers der Bundesrepublik auf eine Truppenstärke von unter 50.000 Personen. Dazu ein Verbot durch das Grundgesetz, die Bundeswehr außerhalb der eigenen Grenzen einzusetzen.

4.Einen innerstaatlichen Diskurs, der nicht auf Stärke und identitäre Selbsterhöhung wie im emotionalisiert-diffusen Party-Patriotismus zielt. Wir müssen uns neu verständigen über die kollektive Selbstwirksamkeit der Nation als Realisierung eines virtuellen Zusammengehörigkeitskonstrukts und seiner faktischen Ausformung als Gewaltapparat. Ziel soll dabei die Etablierung eines sichtbaren Wertemaßstabes kollektiven Handelns sein, derGewaltlosigkeit zur allgemein anerkannten Norm erhebt.

Krieg ist Terrorismus! Stopp dem Krieg!

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen stellt sich der Idee, Terrorismus durch militärische Einsätze beenden zu wollen, entschieden entgegen. Die Idee, Menschenrechte, Demokratie, Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit mit Waffen in die Welt zu tragen, bewerten wir als komplett absurd!

Ein „Feind“, wie die Taliban, Al Quaida oder sonstige ideologische Zusammenschlüsse lassen sich nicht durch Gewalt beseitigen. Dieser Ansatz verkennt völlig, dass hinter diesen Organisationen Ideologien stehen. Führende Köpfe ließen sich vielleicht ermorden – was nicht unser Ziel sein kann – dadurch stirbt aber eine Idee nicht aus, sondern wird
gegebenenfalls noch verhärtet. Die Trennlinien zwischen Zivilbevölkerung und „Terrorist_In“ verlaufen zum Teil fließend. Wer bekennt sich wozu, wer unterstützt wen? Wo steckt Ideologie, wo eigener Vorteil dahinter? Auch Terrorismus bedient sich dem Rückhalt der Bevölkerung. Dort, wo der Rückhalt vorhanden ist, erstarken die Terrorist_Innen. Was aus der einen Perspektive als Terrorismus gilt, wird auf der anderen Seite oft „Freiheitskampf“ genannt. Was ist richtig, was ist falsch?

Die Asymetrie des Krieges macht sich ebenso in der Art der Kriegsführung bemerkbar. Es zählt nicht mehr militärische Stärke, sondern taktisch kluges Vorgehen. Mit militärischer Gewalt lässt sich ein_E „Feind_In“, die_der sich zurückzieht, aus dem Hinterhalt agiert und auf die Zivilbevölkerung abzielt, nicht bekämpfen. Diese Art der Kriegsführung macht auch
keinen Halt vor Ländergrenzen. Sie lässt sich schnell an alle Orte der Welt verschieben.

Welchen Effekt hat in einer solchen Situation militärisches Agieren eines Staates wirklich?

Krieg löst die heutigen Konflikte längst nicht, Gewalt war dazu nie in der Lage! Terrorismus zielt auf die Zivilbevölkerung ab. Er bedient sich bewusst der Angst der unbewaffneten Gesellschaft. Es ist jedoch ein Irrglaube, dass Krieg an der Zivilbevölkerung vorbei gehen kann! Krieg, auch wenn er auf der anderen Hälfte des Globus stattfindet und weit weg scheint, betrifft die Bevölkerung mindestens ebenso wie die bewaffneten Truppen. So schätzt die Friedensforscherin Mary Kaldor 1, dass das Verhältnis zwischen zivilen Opfern und getöteten Soldat_Innen inzwischen bei 8:1 liegt. Zu Beachten bleiben auch die langfristigen Folgen wie Traumatisierung, die sich sowohl bei der Zivilbevölkerung aber auch bei den Soldat_Innen bemerkbar machen.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen richtet sich klar gegen einen Krieg, der pauschal überall und dann noch gegen eine unbekannte, nicht fest definierte Gruppe geführt werden soll. Spätestens in einem Konflikt, in dem militärische Stärke offensichtlich nichts mehr ausrichten kann, sollte erkannt werden, dass Gewalt und Krieg nicht Mittel zur Durchsetzung
der eigenen Politik sein können.

Auch den Krieg im Namen der Menschenrechte, für die Freiheit oder für Gerechtigkeit lehnen wir ab! Menschenrechte lassen sich nicht mit dem Militär in die Köpfe der Menschen bringen. Menschenrechte brauchen Bildung und eine Verinnerlichung der ihr zu Grunde liegenden Werte. Demokratie braucht Luft zum Atmen, keinen Zwang. Wo Soldat_Innen versuchen einer Region, die zum Rückzugsort für Terrorist_Innen geworden ist, das westliche Weltbild aufzudrücken, verstehen wir dieses Handeln als ein (quasi)imperialistisches. Diese Praktik nimmt den dort lebenden Menschen die eigene Entscheidungsmacht und definiert das westliche Leben als höherwertig. Wir möchten die Welt nicht durch Gewalt, sondern durch Argumente und mit Einsicht durch friedliches Agieren überzeugen. Deswegen ist unsere Erkenntnis, dass Terror nur durch Frieden, faire Perspektiven und Argumente der Nährboden entzogen werden kann.

Zudem erweist sich die Differenzierung zwischen Eigeninteressen und wirklich humanitär angelegten Interventionen als durchaus schwierig. Schnell werden Gründe wie Menschenrechte, Gerechtigkeit oder Demokratie vorgebracht, um Kriege zu rechtfertigen. Oftmals stehen jedoch auch Interessen an Ressourcen wie z.B. Öl oder Coltan im Vordergrund. Kriege haben also nicht bloß eine humanitäre sondern auch eine geostrategische oder ressourcenkontrollierende Perspektive. Die Differenzierung voneinander fällt schwer, da Konflikte oftmals in genau diesen Gebieten schwellen. Staatliche Gewaltmonopole in Frage stellen! Wer hat hier den Konflikt?

Wir sind in unseren Forderungen nach radikalem Pazifismus nicht naiv, sondern realistisch aus einem besonnenen analytischen Verständnis der strategischen Machtkonstellationen heraus, innerhalb derer Gewalt stattfinden kann. Es kommt uns auf eine Transformation dieser ineinander greifenden Dimensionen der Macht, von Wissen, kultureller Einbettung,
normativer Gültigkeit und eben auch strategischem Gewaltpotential an 2. Unser Ziel ist eine gesellschaftliche Situation, in der Gewalt im Verhältnis zu den anderen Faktoren der Macht derart delegitimiert ist, dass sie gesellschaftlich nicht mehr stattfinden kann. Von einer solchen Situation, dessen sind wir uns bewusst, ist unsere jetzige Gesellschaftsordnung als Momentaufnahme der historischen Brüche weit entfernt. Das Gewaltmonopol des Staates hat keinesfalls als Konsequenz aus einem wie auch immer konstruierten barbarischen Naturzustand zu einer Befriedung der gesellschaftlichen Verhältnisse geführt, sondern war im Gegenteil schon immer ein wesentlicher Einflussfaktor auf die sozialen Konstellationen, innerhalb derer Gewalt sich generiert hat. Der Staat als Akteur der militärischen Disziplinierung ist keine friedenschaffende Instanz! Die staatliche Gewalt ist nicht ein Antwort auf die in den sozialen Zusammenhängen grassierende Gewalt – verschiedenster Art im Übrigen – sondern eine wesentlicher Quelle einer Macht, die ihr Gegenüber provoziert: der direkten Aktionsmacht (Popitz)3.

Deswegen richtet die GRÜNE JUGEND Niedersachsen als erstes ihre Forderung eines Radikalen Pazifismus an die staatlichen Akteure dieses Planeten. Ein Ausweg aus diesen Kräfteverhältnissen von gegenseitiger Bedrohung durch das Gewaltpotential organisierter Gruppen, kann nur von den Instanzen ausgehen, bei denen Gewalt als legitim gilt. Nur wenn die Instanz, die sich noch im Recht begreift Gewalt anzuwenden bewusst und offensiv darauf verzichtet, kann der Zirkel von Gegengewalt und Drohpotenzialen durchbrochen werden. Nur wer sich als verletzlich zeigt, kann sein Gegenüber davon überzeugen, ihn nicht anzugreifen. Direkte Aktionsmacht ist immer ein Potential und steht immer als Möglichkeit im Raum. Die Frage ist, wie mit dieser Situation umzugehen ist: versuche ich mich zu schützen, in dem ich meine eigene Aktionsmacht als Gegengewicht zu erhöhen suche? Dann habe ich damit das Spiel des auf Gewaltpotentialen beruhenden Konfliktes eröffnet. Oder ziehe ich mich besonnen zurück und reagiere so auf das Potential, wie es existentialistisch wirkt: in dem ich meine grundsätzliche Verletzlichkeit offenbare und damit die Chance auf eine Ausgestaltung eines friedlichen Zusammenlebens mit meinen Gegenübern eröffne. Dabei ist für uns klar, wer dieses Verhältnis von Empathie eröffnen muss: immer die_derjenige die_der in der stärkeren Position ist! Das ist die_der Gewaltmonopolist_In, sprich der Staat. Denn die Gewalt des Staates ist nicht per se die „gute“ Gewalt. Auch sie entfaltet ihre Wirkung und hinterlässt ihre Spuren auf dem Parkett der sozialen Auseinandersetzungen.

Daher macht es für uns als GRÜNE JUGEND Niedersachsen keinen Unterschied, ob jemand eine Uniform trägt oder nicht, wenn sie_er jemanden erschießt. Wer sich beim Meucheln der staatlichen Gewalt im Rücken sicher sein kann, verwirkt eher erst Recht ihre_seine moralische Definitionsmacht. Tucholski hatte Recht:

„Soldaten sind Mörder!“4

Schwerter zu Pflugscharen! Abhängigkeit von der Kriegsindustrie durchbrechen! Gerade im Hinblick auf Kriegsökonomien hält die GRÜNE JUGEND Niedersachsen ein friedliches Agieren für unbedingt notwendig.

In Kriegsökonomien stellt sich die Wirtschaft auf die bewaffneten Auseinandersetzungen ein. Es kommt dabei zu einem Kreislauf, in dem einerseits der Krieg auf die Kriegsökonie und andereseits die Kriegsökonomie auf den Krieg angewiesen ist. So genannte Rebellengruppen, Milizen oder Warlords versuchen die vorhandenen Ressourcen zu kontrollieren und damit ihren Krieg zu finanzieren. Sie nutzen die vorhandenen Rohstoffe, oftmals Diamanten, Coltan oder Öl, um sich damit auf dem Weltmarkt Geld, Waffen oder Drogen zu verschaffen. Das passiert fast immer auf kriminellem Wege.

Die agierende Gruppe, die die Ressourcen kontrolliert, kontrolliert das Kriegsgeschehen. Sie nutzen das auf dem Weltmarkt erlangte Geld, die Drogen und Waffen, um Soldat_Innen für ihre eigenen Zwecke zu rekrutieren – oft noch Kinder. Da andere Formen der Lebenssicherung in (Bürger_Innen-) Kriegsgebieten und Konfliktzonen schnell zum Erliegen kommen, bleibt für viele Menschen ein Ausweg nur der Verdienst als Soldat_In. Oftmals ist jedoch die wirtschaftliche Entwicklung, die es nach kapitalistischer Logik braucht, schon vor dem beginnenden Krieg oder Konflikt kaum bis gar nicht vorhanden. Offene Märkte befrieden die gesellschaftlichen Konflikte nicht, sondern befördern gerade durch das Konkurrenzprinzip ökonomisch basierte Gewaltstrukturen. Diese kriegsökonomische Wirtschaftsweise integriert sich lediglich in die Logik globalisierter, lohnabhängiger Kapitalakkumulationszyklen. Auch sie ist auf Abnehmer_Innen angewiesen. So bezeichnen auch Peter Lock und Sabine Kurtenbach diese entstandene Wirtschaftsform als Schattenglobalisierung.5 Die Theorien dazu gehen davon aus, dass diese Wirtschaftsform nur eine logische Folge der neoliberalen Öffnung der Märkte ist und dass sie sich in ihrem Kern nicht von anderen Wirtschaftsweisen unterscheidet. Ganz im Gegenteil, sie ist nur eine andere Art der Ausprägung des
Kapitalismus.

Genau diese Entwicklung macht eine friedliche Lösung so schwierig. Das Interesse an einem Ende das Krieges sinkt, umso weiter die Wirtschaft in das Kriegsgeschehen involviert wird. Sowohl die ressourcenkontrollierende Gruppe, als auch die Soldat_Innen haben ein Interesse am Status quo. Der Krieg ist für sie zur „Arbeitsstelle“ geworden, der ihnen den
Lebensunterhalt ermöglicht.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert deshalb eine ganz andere Weltwirtschaftsordnung, in der Menschen nicht aus wirtschaftlichen Zwängen zur Waffe greifen müssen!

Wir fordern deshalb weiterhin, in Gebieten wo die Kriegsökonomie vorherrscht auf keinen Fall mit Krieg oder Gewalt vorzugehen, da sich dies nur in die vorhandene Logik der Ökonomie fügt. Die Agierenden dort sind auf den Krieg angewiesen, sie werden sicherlich nicht aufhören, wenn ihnen Gewalt angedroht oder entgegen gebracht wird. Vielmehr würde es ihnen nur einen neuen Anlass zum Weitertragen des Kreislaufes aus Gewalt und Verwertung liefern.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert deshalb in Konfliktgebieten mit stabilen Kriegsökonomien zukunftsträchtige, friedliche Perspektiven für alle Menschen zu schaffen. Wir wollen eine Resolzialisierung, Integration und Entwaffnung der Rebellengruppen. Wir wollen eine Transformation der vorhandenen militärischen Ausrichtung der Wirtschaft in eine friedliche Wirtschaft. Wir wollen die Schwerter einschmelzen und aus ihnen Werkzeug schmieden mit denen wir uns eine friedliche Zukunft bauen können.

Historische Verantwortung heißt: die Bedingungen der Barbarei an der Wurzel vereiteln Deutschland ist und bleibt nach der Phase des ekstatischen Ausbruchs von Gewalt, Terror, Menschenverachtung und systematisch-willkürlicher Verfolgung und Ermordung von Millionen Opfern zwischen 1933 und 1945 das Land der Täter! Das setzt die Politik dieses Landes in eine spezielle Position in den Internationalen Beziehungen. Eine Militärmacht Deutschland ist keinem der Nachbarstaaten, die teilweise mehrfach von brutalen deutschen Schergen überfallen wurden noch zuzumuten. Polen und die Tschechische Republik, Frankreich und Luxemburg, die Niederlande und Belgien sowie Dänemark haben ein Recht sich vor einem abgerüsteten Nachbarn in friedlicher Zusammenarbeit sicher zu fühlen – und vor ihm sicher zu sein! Die Europäische Union bietet dafür den besten Rahmen. Aber auch andere Gruppen und selbst bestimmte Gesellschaften müssen sich sicher sein können, nie wieder von Deutschland angegriffen zu werden – egal unter welchen Voraussetzungen oder Begründungen: nach 1945 hat kein_E deutsche_R Soldat_In noch etwas auf einem anderen Boden als dem deutschen Staatsgebiet zu suchen!

Die Singularität der Verbrechen des Nationalsozialismus müssen unter den Bedingungen des Krieges als Kontext für eskalierte Machtkonstellationen analysiert werden, in denen totale Gewalt stattfinden konnte. Der Holocaust erreichte seinen unermesslichen und abscheulichen Hochpunkt der industriellen und am Reißbrett geplanten Vernichtung erst unter dem Kontext eines weit eskalierten imperialen Eroberungskrieges. Oft genug wird heute gerne die „Apeacment“-Keule gezogen, wenn es darum geht das Vorgehen mit militärischen Mitteln zu rechtfertigen oder als unabdingbar darzustellen. Dabei bleibt völlig ausgeblendet, dass erst die Bedingung Krieg den Völkermord möglich macht. Es war die Wehrmacht, die den ungehemmten Gewaltexzessen der Nazis den Weg frei geschossen hat, so dass sich SS und SD in einem Freiraum der eskalierten Gewalt austoben konnten. Diese Situation bleibt einzigartig in ihrem Ausmaß und ihrer spezifischen Zusammenhänge. Die allgemeine Lehre daraus ist jedoch, dass jedweder Völkermord nur unter den Bedingungen von vorausgegangenen kriegerischen Auseinandersetzungen stattfinden konnte. Der Nationalsozialismus ist kein Argument für die Bewaffnung und Wachsamkeit um eventuell „einem neuen Hitler“ die Stirn bieten zu können – so banal ein solches Verständnis der deutschen Barbarei in sich schon ist. Weder war Hitler der monokausale Grund für den Nationalsozialismus, noch ist irgendeine andere Macht mit der brachialen Brutalität des deutschen Faschismus vergleichbar: weder Milosovic noch Hussein, nicht einmal ein Kim Jong Il sind mit Hitler gleichzusetzen! Die Rolle Deutschlands mit diesem einmaligen
Hintergrund kann nur die Rolle einer Friedensmacht in der Welt sein.

Der Nationalsozialismus bleibt eine Mahnung an die Welt: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus! Genau in dieser Reihenfolge! Wer noch einmal Ruanda sagt und Weltpolizei meint, dequalifiziert sich selbst im analytischen Verständnis der Bedingungen unter denen Ausufernde Vernichtungsgewalt auftreten kann. Es gibt keinen neutralen Part, der mit Gewalt
einen Konflikt überwachen oder interpenetrieren kann. Jede Anwendung von Gewalt führt in den Konflikt hinein. Gerade in Ruanda in seiner postkolonialen Situation gab es keinen „neutralen Westen“ der hätte intervenieren können!

Wir nehmen die Losung von Buchenwald ernst und gehen von diesem Grundsatz aus, dass beide Elemente nur zusammen gehen:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung! Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel!“

Beide Aufgaben sind fortwährende Prozesse der Auseinandersetzung und nie erreicht und abgeschlossen. Wir müssen uns ständig um eine friedliche und freie Welt bemühen und an ihr arbeiten. Wir müssen ständig Gewalt als instrumentelles Mittel der sozialen oder politischen Auseinandersetzung delegitimieren, um die Wurzeln der Barbarei zu vereiteln. Das ist gerade unsere historische Pflicht. Bomben werfen ist es nicht!

Der Weg zum Frieden: Pazifismus! Konsequent!

Der Weg zu dieser neuen Welt des Friedens führt dabei für uns nur über einen Radikalen Pazifismus, mit dem sich die ersten Gewaltmonopolisten aus den strategischen Positionen des gegenseitig aufgebauten Gewaltpotentials entziehen und die Drohung des Gegenübers in Leere laufen lassen. Nur so kann die Situation angespannt-aufgeladener Beziehungen reell destruiert und aufgelöst werden. Dazu entwerfen wir unsere Utopie einer pazifistischen Weltbevölkerung:

wir streben diese pazifistische Weltbevölkerung ernsthaft an. Dabei ist für uns klar, dass Pazifismus ein langer Prozess ist. Frieden muss erarbeitet und gelebt werden. Um Pazifismus leben zu können braucht es langfristige Strategien, um gewaltsame Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert eine weltweit
bessere Präventivarbeit gegen aufkeimende Konfliktsituationen.

Dazu gehört heute vor allem eine ganz andere Weltwirtschaftsordnung die dem Imperativ der rationalistischen Verwertungslogik um seiner selbst Willen entsagt zu Gunsten einer solidarischen, postkapitalistischen Wirtschaft, in der der Maßstab das größtmögliche Wohl nicht einer abstrakten Allgemeinheit, sondern der Ärmsten ist. Außerdem gehört dazu
konsequente Klimagerechtigkeit und Programme, die einem jeden Menschen ein Leben in Würde ermöglichen.

Ein weiterer elementarer Bestandteil von Frieden ist die Errichtung einer konstruktiven Konfliktkultur. Die Werte und Vorteile der Gewaltfreiheit müssen sich in Gesellschaften von innen heraus festigen und in dem Handeln und Denken der Menschen verwurzelt werden – erst dann ist friedliches Agieren in Konfliktsituationen möglich.

Für uns gilt weiterhin Gandhis Erkenntnis “Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg”. Genau das ist unser Weg. Auch in bereits eskalierten Konflikten fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen lediglich ein gewaltfreies Eingreifen.

Das gewaltsame Durchgreifen zur Beendigung eines Konflikts ist immer nur eine Scheinlösung. Das eigentliche Problem, der eigentliche Konflikt löst sich dadurch nicht! Die Ursache, die zum Ausbruch der Gewalt geführt hat, bleibt bestehen. In die meisten Gebiete, in die gewaltsam eingegriffen wurde, zeigt sich, dass der zivile Wiederaufbau stockt, da die sich bekriegenden Parteien ihre Wut und ihren Hass nicht überwunden haben. Der Konflikt schwillt unterschwellig weiter, schnell kommt es zum erneuten Ausbruch von Gewalt. Wir können keinen Unterschied zwischen “guter” und “böser” Gewalt machen. Wir werden nicht die Moralkeule nach dem Motto schwingen “wir sind im Recht und deswegen ist unsere Gewalt gerechtfertigt”. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen lehnt eine unterschiedliche Legitimation von Gewalt ab. Diese ist Ausdruck einer arroganten Lebenseinstellung, die glaubt, die Gerechtigkeit für sich gepachtet zu haben. Keine Gewalt ist jemals gerecht, denn sie versucht immer mit dem Mittel der direkten Aktionsmacht den eigenen Wertemaßstab eben nicht aus sich selbst heraus, sondern durch Zwang gegenüber konstruierten Gegner_Innen und Feind_Innen durchzusetzen.

Hinzu kommt, dass sich dieser ideologischen Legitimation von Gewalt jede_R bedienen kann. Es ist immer einfach zu sagen, dass das, was erreicht werden soll die Mittel wert ist. Dieser Argumentation könnten sich auch alle jeweiligen Konfliktparteien bedienen. Genau diese Rechtfertigungsregime6 sind es, die einen Diskurs der Legitimation von Gewalt als
gerechtem Mittel ermöglicht. Wer das nicht erkennt und in distanzierter Reflexion ihre_seine eigene Perspektivität in den Konstellationen dieses Gewaltdiskurses ausmachen kann, die_der wird die normativen Dispositive der Gewalt immer wieder reproduzieren. Wir begründen unseren Radikalen Pazifismus mit dem Wissen, dass Frieden erlernt werden muss. Wie soll in Regionen, in denen gewaltsames Vorgehen Alltäglichkeit ist, verdeutlicht werden, dass es bessere Methoden gibt mit Konflikten umzugehen? Dazu gehört es zu lernen, eskalierende Konflikte zu entschleunigen um so die Spirale sich hoch schaukelnder Konflikte besonnenen ohne Gewalt meistern zu können.

Genau den Punkt müssen wir vorleben. Wenn ein Krieg oder ein Völkermord mit Gewalt verhindert wird, bedienen wir uns grundsätzlich dem gleichen Mittel. Das wird nicht zu der Einsicht führen in Zukunft konstruktiv über Schwierigkeiten zu streiten! Es würde erneut vorführen, dass es legitim sei den eigenen Willen mit Gewalt zu erreichen. Und es würde
unterstreichen, dass Gewalt das beste Mittel wäre, um eigene Ziele zu verwirklichen. Die Strategie, die die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert, baut auf Vorleben und Aufzeigen von Alternativen auf. Der Pazifismus muss sich im Denken der Menschen widerspiegeln. Jeder_Jedem Einzelnen muss von selber heraus klar werden, dass für sie_ihn Vorteile daraus entstehen, wenn nicht mehr das Recht des Stärkeren besteht! Dazu braucht es ein Bewusstsein über allgemeine Belange statt einer Mentalität der virtuellen Gegner_Innenschaft. Wir müssen als globale Bewohner_Innen unsere gemeinsamen
Anliegen erkennen und in einem gemeinsamen politischen Diskurs die Ziele des menschlichen Handelns festsetzen. Dabei dürfen wir es nicht zulassen, dass politische Kräfteverhältnisse sich zu ausufernden Konflikten hochschaukeln, die in verhärteten Fronten enden. Eben solches „sich unversöhnlich gegenüberstehen“ ist die strategische Voraussetzung, die Gewalt als Mittel der internationalen Auseinandersetzung immer wieder als so notwendig und zwangsläufig erscheinen lässt.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen setzt dem einen Imperativ der Prävention entgegen. Wo die Frage nach dem „was machst du denn wenn …“ aufkommt, hat diese Haltung bereits versagt. Wir fangen vorher an zu fragen und stellen in den Raum: woher kommt denn der Konflikt? Wir wollen nicht von per se konflikthaften Beziehungen ausgehen, die sich in Automatissmen steigern und in Gewalt enden müssen, sondern wollen anfangen zwischenmenschliche, soziale und eben auch internationale Beziehungen vorher bewusst und aufgeklärt zu gestalten. Dazu fordern wir einen weiteren Ausbau und exponentielle
Förderung einer unabhängigen Konflikt-, Kriegs- und Gewaltforschung, die nicht in militärische Apparate integriert sein darf, um die allgemeinen Dimensionen des Entstehens von gewalthaften Konflikten besser verstehen und die Symptome im Entstehen erkennen zu können.

„Returning violence for violence mulitples violence, adding deeper darkness to night, allredy devoid of stars. Darkness can not drive oute darkness. Only Light can do that. Hate can not drive oute hate. Only love can do that.“ (Martin Luther King Jr.)

1 Vergl. Mary Kaldor: neue und alte Kriege
2 Vergl. hierzu u.a. Michel Foucault: Dispositive der Macht.
3 Der Begriff stammt aus: Heinrich Popitz: Phänomene der Macht
4 Zitiert aus: Kurt Tucholski: Der abgesperrte Kriegsschauplatz.
5 Sabine Kurtenbach, Peter Lock: «Kriege als (Über)Lebenswelten. Schattenglobalisierung,
Kriegsökonomien und Inseln der Zivilität»
6 Zum Begriff vergl. Boltanski / Thevenot: Über die Rechtfertigung

3 Gedanken zu „Nie wieder Krieg

  • Dr. Burkhard Luber

    dem kann ich nur voll! zustimmen. Welche nds. grünen KVs und grüne MdBs in Niedersachsen haben diesen Aufruf schon unterzeichnet?

  • Moritz Keppler

    Lieber Stefan,
    zufällig habe ich gerade gesehen, dass du hier Svenjas und meinen Antrag veröffentlicht hast – das freut mich sehr!
    Nur der Vollständigkeit halber will ich hinzufügen, dass der Antrag von der LMV der Niedersächsischen GRÜNEN JUGEND leider abgelehnt und dafür ein moderaterer Friedenspolitischer Antrag (der unter anderem leider nicht den militärischen Einsatz bei sog. “humanitären Interventionen” ablehnt) verabschiedet wurde.
    Wer sich mit dem oben stehenden Text identifizieren kann, der_dem steht gerne offen, ihn weiter zu verwenden.
    LG Moritz

  • Stefan

    Lieber Moritz,

    das ist ja traurig. Aber es ist schon ein Gewinn so eine Position mal zu diskutieren. Ich habe ja leider auch nicht verhindern können, dass die Grüne Jugend auf dem “Kriegs-Buko” vor einigen Jahren sich den “Alt-Grünen” in dieser Frage angenähert hat.

    Aber wie sagt Gandhi so schön: “Frieden ist der Weg, nicht das Ziel”!

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